Meine erste jagdliche Prüfung (JAS/R)
Es ist Sonntag, der 13.09.2020. Ich liege auf dem Boden im Wohnzimmer. Nicht auf meinem Hundebett, nein, ich liege davor. Obwohl es schon 23:00 Uhr ist. Meine Menschen schauen sich ein wunderbares Konzert von Beethoven im Fernsehen an. Mit ihrer wirklich lauten Soundanlage. Sie hören eben längst nicht so gut wie ich. Wir Hunde haben nämlich ein wesentlich besseres Hörvermögen als die Menschen. Das Konzert wird dirigiert von Daniel Barenboim. Ich finde es wunderschön und so toll entspannend, obwohl ich eigentlich lieber Hundefilme sehe. Das gebe ich zu. Ich bin immer noch, oder besser schon wieder sooo müde.
Jetzt fragst Du Dich, warum ich wohl so kaputt bin? Das ist ganz einfach erzählt. Dafür muss ich aber teilweise ein wenig ausholen und auch das eine oder andere Mal detaillierter werden. Also los, ich fange einfach mal an
Heute hatte ich meine erste jagdliche Prüfung. Und zwar die JAS/R. Das ist die jagdliche Anlagensichtung für Retriever. Die ist für uns Junghunde recht wichtig. Und eines kann ich Dir sagen: Die macht echt mal so richtig Spaß. Auch die Vorbereitung darauf. Hmmm, nun ja, kommt drauf an. Warum? Du kannst es in meinem Beitrag „Meine Vorbereitung auf die jagdliche Ausbildung“ nachlesen. Den schreibe ich in ein paar Tagen.
Was also ist die JAS/R? Drei Richter prüfen und bewerten jeden Prüfling (also uns Hunde). Sie wollen feststellen, ob wir gute Anlagen für die jagdliche Arbeit haben. Dafür verstecken die Richter das tote Wild (Ente und Kaninchen) für uns. Wir Hunde müssen die Spuren aufnehmen, es finden und bringen. Übrigens hat Herrchen Veit extra dafür am Vortag je zwei gefrorene Enten und Kaninchen bei einem Händler gekauft. Meine Menschen habe sie in unserem Keller aufgetaut.
Während der Aufgaben wird jeder Hund einzeln in fünf Feldern geprüft und diese mit fest vorgegebenen Kriterien bewertet.
Übrigens fühle ich mich richtig wichtig. Warum? An einem Tag werden nur vier Hunde geprüft. zwei am Nachmittag und zwei am Vormittag. Pro Hund sind fünf bis sechs Menschen beschäftigt: Mein Mensch, drei Richter, der/die Sonderleiter/In und eventuell die Begleitung des Menschen, also bei mir Herrchen Veit. Die ganze Prüfung dauert rund drei Stunden. Davon ist pro Hund etwa eine Stunde echte Prüfungszeit, also Arbeit für mich.
Wir Hunde müssen bei den Aufgaben zeigen was für jagdliche Anlagen wir haben – oder halt auch nicht. Es ist zwar keine offizielle Prüfung, sondern „nur“ eine Sichtung, aber durchfallen kann ein Hund trotzdem. Zum Beispiel wenn er Angst vor Schüssen hat (also nicht schussfest ist), er das Wild nicht aufnehmen mag oder wenn er nicht ins Wasser gehen will.
Darum ist es auf jeden Fall ganz gut, wenn uns unsere Menschen vorher ein wenig auf die Aufgaben vorbereiten. Ja wirklich! Das sollten unsere Menschen schon machen. Woher soll ich denn wissen, was eine Ente oder ein Kaninchen ist, wenn Frauchen oder Herrchen mit mir nicht übten. Ich darf ja nicht einfach mal eben so ins Feld rennen und ein Kaninchen fangen oder am See eine Ente anschleppen. Was meinst Du wohl, was ich dann für Ärger bekäme. Ich darf das Wild ausschließlich nur auf Kommando meines Menschen apportieren. Und die müssen auch eindeutige Gründe dafür haben. Zum Beispiel wenn das Wild geschossen wurde und wir es suchen müssen.
Erinnerst Du dich an meinen Bericht über meine BHP/Begleithundeprüfung (Link zu meinem Bericht)? Ich behaupte ja: Dort ist der Mensch das Risiko! Auch wenn die Menschen das natürlich ganz anders sehen. Denn wenn mein Mensch dusselig ist und Fehler macht, falle ich durch. Aber hier ist das ganz anders. Hier kommt es nur auf mich an. Fast zumindest. Ich brauche klare Anweisungen. Verbal und nonverbal von meinem Menschen. Aber suchen und bringen muss ich. Das ist auch gut so. Wenn ich mir vorstelle, mein Frauchen Petra oder Herrchen Veit sollten mit ihrer lustigen Menschennase das Wild im Gebüsch finden…. Haha, da lache ich mich glatt kaputt. Das klappt doch niemals. Und die Vorstellung, dass die beiden das Wild schnell rennend zu mir bringen sollten? Nene, das wird doch nie etwas. Die sind doch viel zu lahm.
Nun aber zurück zur Prüfung.
Die Prüfungsaufgaben müssen von jedem Hund einzeln erledigt werden. Drei Richter beobachten den Hund mit Argusaugen, also ganz genau. Denen entgeht nichts – wirklich gar nichts. Das musste ich leidlich am eigenen Fell erfahren. Aber dazu später.
Jetzt fragst Du Dich wohl, wie das so bei mir war?
Gleich mal vorweg das Wichtigste: Hurra – ich habe die Prüfung bestanden. Ich bin total stolz. Und meine Menschen Petra und Veit erst! Ich habe sogar recht gut bestanden. Hier mal mein Bewertungsbogen.
Den Bogen kannst Du Dir vergrößert auch hier ansehen.

(1) Wasser
Die erste Aufgabe ist die Markierung im Wasser. Der Schuss fällt. Frauchen Petra schickt mich los, die Ente zu finden. Ich muss durch den Teich schwimmen. Ich muss die Ente suchen. Ich suche ein wenig und finde sie im Schilf. Aber was ist das? Ganz in der Nähe laufen zwei Hunde herum. Zu dieser Jahreszeit riechen die Hundedamen wieder so wahnsinnig gut. Könnte vielleicht eine dabei sein? Ich lasse mich ablenken und schaue hin. Ich überlege kurz: Was ist wohl gerade wichtiger? Die Ente und Frauchen Petra oder die Hunde??? Ich bin kurz davor, die Hunde vorzuziehen, aber da – ich höre Petra, wie sich mich ruft. Ich weiß gar nicht mehr, was sie ruft. Aber sie „weckt“ mich irgendwie auf und ich besinne mich. Wo war nochmal die Ente? Ach ja, da liegt sie ja. Ich nehme sie auf, springe ins Wasser, schwimme durch den Teich und bringe sie ihr schnell. Und wie sie sich freut. Ja Wahnsinn! Das tut doch mal so richtig gut.
Übrigens besprechen die Richter mit uns nach jeder Aufgabe ihre Beurteilungen. Danach geht es an einen anderen Ort, ganz in der Nähe. Jetzt kommt die nächste Aufgabe.
Das Bild zeigt mich mit der Ente, aber nicht von der Prüfung sondern beim Training. Petra könnte während der Prüfung nicht fotografieren – sie musste ja schließlich auf mich aufpassen und mich unterstützen.

(2) Die Verlorensuche im Feld
Vor dem Start versteckt einer der Richter je ein Kaninchen und eine Ente für mich. Wir bekommen das Signal zum Start. Frauchen sagt zu mir „Such verloren“ und ich fege los.
Frauchen Petra geht hinter mir her. Neben ihr unser Schütze. Unser Trainer Ulrich Küppers schießt für uns, denn Frauchen hat ja ihren Jagdschein noch nicht.
Ich nehme großartige Gerüche wahr, lasse mich aber nicht ablenken und fange direkt an zu suchen. Ich habe die Witterung aufgenommen. Ein Kaninchen.
Achtung! Der erste Schuss fällt. Ich drehe mich kurz um, lasse mich aber nicht ablenken. Es dauert nicht lange, ich finde das Kaninchen recht schnell. Glücklich und schnell rennend bringe ich es zu Frauchen Petra.
Im Bild siehst du die beiden, Ulrich und Petra. Ganz lieben Dank an Dich, lieber Ulrich, dass Du meine Menschen und mich so toll unterstützt hast. Bei der Prüfung und vor allem auch bei der Vorbereitung.

Es geht direkt weiter. Frauchen Petra schickt mich wieder los. Ich muss ja noch die Ente finden. Das dauert ein wenig länger. Ich bin jetzt doch ein bisschen abgelenkt, von den vielen spannenden Gerüchen. Nach einer ausgiebigen Suche finde ich die Ente und bringe sie zu Petra, die sich ganz doll freut. Nicht so toll finden die Richter dabei, dass ich ein wenig vorsichtig bin. Ich überlege mir halt immer ganz genau, wo und ob es sich lohnt, in den undurchsichtigen und unberechenbaren Bewuchs zu gehen. Und ganz doof finden die Richter, dass ich dabei zwischendurch mal pinkeln muss. Ehrlich gesagt: das war reine Verlegenheit. Ich muss halt immer „meine Stärke“ sicherstellen. Und das mal nebenbei zum Thema „den Richtern entgeht aber auch wirklich gar nix!“
Aber eines habe ich jetzt endlich verstanden: Das hier ist wirklich ernst. Kein Spaß. Ich muss mich konzentrieren. Darum auch die vielen fremden Menschen um uns herum, die mich dauernd angucken und nicht aus den Augen lassen. Ihr glaubt wohl, ich merke das nicht? Ich bin zwar nur ein Hund, aber ich bin nicht doof.
Alles klar! Ich habe verstanden. Ich muss jetzt den ganzen Ablenkungsquatsch sein lassen. Nun ja, und „Stärke zeigen“ durch Pinkeln kommt hier wirklich nicht so gut an. Es geht weiter mit der Schleppe.
(3) Die Schleppspur
Hier gehe ich richtig ab. Die Schleppe ist mein Element. Ich liebe die Schleppe. Meine Nase ist meine Stärke. Lies mal meinen Bericht zu meiner BHP/Begleithundeprüfung. vor einer Woche. Sprichwörtlich „klebte meine Nase“ bei der BPH am Boden. Dort kam das gar nicht gut an. Aber hier? Ha!! Die Richter fanden das richtig großartig.
Und was passiert bei der Schleppe? Ein Richter „zieht die Schleppe“. Das heißt, er simuliert, dass ein Kaninchen bei der Jagd wund geschossen wurde, sich in den Wald zurückgezogen und versteckt hat. Ich soll es jetzt anhand der Geruchsspur schnell suchen, finden und zu Petra bringen. Und das alles, wie gesagt ruckizucki, denn das Kaninchen muss ganz schnell gebracht werden – ohne Umwege selbstredend!
Also werde ich von Petra losgeschickt. Schnell habe ich die Spur aufgenommen. Aber was ist das? Plötzlich rieche ich, dass da ein anderer Rüde auf meine Schleppspur gepinkelt hat. So ein Doofkopp! Später höre ich, wie Petra Veit erzählt was passiert ist: „Ja, es war tatsächlich so. Als der Richter mit der Schleppe fertig war, mussten wir mit dem Start ein paar Minuten warten. Ein Pärchen durchzog mit 3 kleinen Hunden unsere Spur. Und einer der drei Hunde hob sein Beinchen und pinkelte doch tatsächlich direkt auf unsere Schleppspur. Ich wurde recht nervös. Diese Art von Ablenkung ist für Barthy gefährlich.“
Haha, ich glaube gern, dass Petra nervös wurde. Ich bin jetzt 17 Monate alt, und finde andere Hunde extrem spannend. Egal ob Rüde oder Hündin. Und wenn die Hündinnen auch noch gut riechen, gehen die „Pferde mit mir durch“. Da kann es schon mal passieren, dass ich ganz spontan abhaue. Und zwar ganz weit weg. Das finden meine Menschen ganz und gar nicht witzig. Im Gegenteil, die sind dann richtig sauer. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich Dir später erzählen werde.
Aber hier und jetzt lasse mich von diesem depperten Hund nicht ablenken. Ich muss hier einen Job erledigen. Das habe ich jetzt endlich verstanden! Ich renne weiter. Zack – ich bin da und finde das Kaninchen. Und zackidizack – ich bringe es ganz schnell und stolz zu Frauchen Petra. Und die freut sich so sehr. Da bin ich richtig glücklich. Die Richter finden das auch toll. Jetzt folgt Aufgabe 4.
(4) Verlorensuche im Wald
Als nächstes muss ich je eine Ente und ein Kaninchen im Wald verloren suchen. Das heißt, wir beide, Petra und ich, wissen nicht, wo die liegen. Ich finde zuerst und schnell die Ente.
Beim Kaninchen brauche ich wenig länger. Ich laufe auch einmal zu Petra zurück, weil ich nicht genau weiß, was ich jetzt machen soll. Aber sie schickt mich wieder los. Und weil ich ihr vertraue, weiß ich, dass da etwas zu finden ist. Und tatsächlich. Da ist es, das Kaninchen. Voller Stolz und Freude bringe ich es ihr.
Jetzt kommt die letzte Aufgabe
(5) Markieren
Zwei Richter, Petra und ich stehen auf der einen Seite. Uns gegenüber, etwa 30 Meter entfernt in einem Bewuchs, steht der dritte Richter. Ein Geräusch. Eine Ente fliegt durch die Luft. Ich muss warten. Der Richter rechts neben Petra gibt ein kurzes Signal. Petra wartet… eins … zwei … drei… und sagt leise „Apport“ zu mir.
Mein Zeichen! Ich rase los. In den Bewuchs. Da ist sie! Ich finde die Ente schnell und bringe sie Petra voller Freude und Stolz. Und wieder freut sie sich wie verrückt. Hurra! Ich bekomme sogar wieder ein Leckerchen.


So. Wir haben es geschafft. Wir haben alle Übungen im Wechsel mit einem zweiten Hund/Mensch-Team gemacht. Alles in allem hat es rund zwei Stunden gedauert. Nun werden die Ergebnisse ausgewertet und die Urkunden geschrieben. Danach kommt die finale Besprechung der Gesamtbeurteilung. Und natürlich die Urkundenübergabe. Frauchen Petra, Herrchen Veit und ich sind alles in allem megamäßig stolz.
Überglücklich fahren wir los. Wohin? Haha – ich bekomme wieder meinen Hamburger (ohne alles, nur mit Fleisch). Meinen ersten habe ich zur BHP/Begleithundeprüfung bekommen.
In Kürze geht für mich die richtige jagdliche Ausbildung los. Ich freue mich schon so sehr darauf. Es macht mir riesigen Spaß. Wusstest Du, dass der Jäger gesetzlich dazu verpflichtet ist, einen „brauchbaren“ Hund auf die Jagd mitzunehmen? „Brauchbar“ zu sein heißt, dass der Jagdhund die jagdliche Prüfung erfolgreich bestanden haben muss. Und auch erst dann darf er eingesetzt werden.
Jede Jagdhunderasse hat besondere Anlagen, die durch die Ausbildung gefördert werden. Es kommt immer drauf an, für welchen Zweck der Jagdhund eingesetzt wird, danach sucht der Jäger den passenden Jagdhund aus. Und dafür gibt es dann die verschiedenen Ausbildungen und Prüfungen. Egal für welche, für jede der Brauchbarkeitsprüfungen muss ein Jagdhund wirklich viel lernen und können. Zum Beispiel muss der Jäger oft auch krankes Wild ausmachen. Auch da kommen wir Hunde zum Einsatz.
Was bedeutet das für mich? Ich bin ein Apportierhund für das Niederwild (mehr zu uns Retrievern findest Du hier). Und ich liebe das Wasser. Oh ja, ich habe einen weiteren ausfüllenden und großartigen Job vor mir. Ich freue mich schon sehr auf die Ausbildung. Ich halte Dich auf dem Laufenden.