Heute wurde ich vergessen
Was ist das nur für ein Rudel – vergisst einfach ihren Kleinsten. Ja! Ich meine mich! Ich wurde heute von meinem Herrchen Veit vergessen!
Wie es dazu kam? Ich erzähle es dir.
Meine Menschen frühstücken nur ganz selten. Heute wollten sie es aber gern.
Genau gegenüber unseres Hauses, auf der anderen Straßenseite, ist ein Bäcker. Wir müssen nur die Hauptstraße überqueren. Zum Glück ist bei uns auch direkt eine Kreuzung mit einer Ampel. Ein sehr sicherer Weg. Bald lerne ich noch, die Ampelt richtig zu lesen.
Der Bäcker hat auch einen kleinen Sitzbereich. Die Räume sind so groß, dass er zwei Eingänge hat.
Aber seit Corona ist es bei dem Bäcker so, dass der erste Eingang, an dem der „Hundepfahl“ ist, der Eingang ist und auf der anderen Seite der Ausgang.
Für die ganz Dummen, die die Schilder nicht lesen können, gibt es sogar große Pfeile auf dem Boden. Aber das haben die schon richtig toll organisiert.

Veit macht mich also fest und stellt sich in die Warteschlange. Während er dort ansteht lächelt er mir auch ganz lieb zu und sagt mir, wie brav ich bin. Ich warte ganz ruhig und geduldig. Ich weiß ja, dass es gleich weitergeht. Ich kenne das Procedere ja schon. Und wie gesagt, ich freue mich schon auf die Brötchentüte – sie zu tragen.
Veit geht rein, kauft seine Brötchen, geht hinten raus und – NEIN – er geht einfach über die Straße. Nicht einmal an der Ampel, nein einfach quer rüber! Frechheit. Einmal, weil er die Ampel nicht nutzt (sie ist ja auch nur 10 Meter entfernt), nein vor allem weil er mich vergisst. Er hat einfach nicht an mich gedacht!
Ich sehe das, wundere mich auch, denke mir aber, dass er sich vielleicht doch etwas dabei gedacht haben könnte. Vielleicht ist es ja eine neue Übung, um meine Steadiness zu prüfen. Oder aber es ist eine späte Rache für die vielen Löcher, die ich im letzten Sommer, als ein ein kleiner Welpe war, im Rasen gebuddelt habe.
Apropos Löcher: Veit ist ja auch ein bisschen dusselig. Kaum war es Mitte März ein wenig wärmer, rast er los, kauft Rasensaat und Dünger und versucht mit viel Mühe, den Löcherrasen wieder auf Vordermann zu bringen. Und er sprengt den Rasen auch ganz viel. Allerdings wurde es wieder sehr kalt. Oh welch Wunder, dass es Mitte/Ende März wieder kalt wird. Nun ja, da muss er wohl nochmal von vorn anfangen.

Wo war ich gerade? Ach ja, die späte Rache für die vielen Löcher im Rasen. Das kann natürlich gut sein. Aber echt jetzt? Ich dachte immer, er hat mich lieb und ich sei sein bester Kumpel. Zumindest sagt er das immer.
Was jetzt kommt, weiß ich von Frauchen Petras Erzählungen:
Veit kommt nach Hause und ruft mich. Findet mich aber nicht. Er ruft Petra zu, ob ich bei ihr sei. Petra verneint. Plötzlich ruft Veit zu Petra: „Oh nein, ich habe Barthy beim Bäcker vergessen“. Da hättest du mal Petra hören sollen. Wie sagen die Briten? „She was not amused“!
Ich habe es mir inzwischen vor dem Bäckerladen gemütlich gemacht und mich ins Platz gelegt. Ich habe tiefes Vertrauen zu meinen Menschen. Ich weiß genau genau, dass sie mich irgendwann abholen werden. Ich hoffe nur, dass mich in der Zwischenzeit nicht einfach ein anderer Mensch mitnehmen will. Da müsste ich mich dann gebührend wehren. Ich will nur zu „meinen“ Menschen. Auch wenn die mich manchmal ärgern, weil ich nicht das machen darf, was ich will, aber ich liebe sie.

So liege ich also ganz gemütlich an meiner Leine am „Hundepfahl“ und warte. Zum Glück musste ich das nicht lange. Es dauerte nur ganz wenige Minuten. Veit kam plötzlich um die Ecke geflitzt. Wenn man das überhaupt flitzen nennen kann. Aber das rechne ich ihm hoch an. Veit hat nämlich gerade ein ziemlich kaputtes Knie und schleicht eher wie eine Schnecke. Also – er kam und die Ecke „geflitzt“. Leichte Panik in den Augen.
Ich habe mich so sehr gefreut, ihn zu sehen. Und Veit ging es genauso. Und weil er sich so gefreut hat, wusste ich, dass dies weder eine Übung zur Steadiness, noch Rache für den Löcherrasen war. Er hatte mich einfach nur vergessen. Und das sagte Veit mir auch. Oh – was haben wir beide uns zusammen gefreut.
Zu Hause angekommen, war dann auch mein Frauchen Petra sehr erleichtert.
Erst einmal frühstücken wir alle. Rumo und ich bekommen unser Futter und meine Menschen setzen sich gemütlich bei einer Tasse Kaffee hin und essen ihre leckeren frischen Brötchen.
Dieser Tag hat heute früh wirklich schon sehr aufregend angefangen. Mal sehen, was der Rest des Tages noch so alles bringen wird.