Keiner versteht mich
Petra Bothmann
15. August 2020

Ich weiß nicht. Es ist seltsam. Meine Menschen verstehen mich einfach nicht mehr. Ich bin doch soooo arm dran.

Warum? Ach ja, ich bin wohl gerade mal wieder in einer weiteren Pubertätsphase angekommen. Glaubst du nicht? Doch. Das gibt es nicht nur bei den Menschen, ja, auch bei uns Hunden. Ich wusste das auch nicht. Aber anstrengend ist es. In der Zeit ist bei uns Hunden das „Gehirn wegen Umbau geschlossen“. Sagen die Menschen.

Die erste Phase kam, als ich etwa 7 Monate alt war. Erinnerst du dich? Ich wollte meinen Menschen unbedingt zeigen, dass ich der Rudelführer sein will. Da habe ich doch meinem Frauchen Petra aus reinem Protest auf den Schuh gepinkelt. Die ganze Geschichte dazu findest du hier, in meinem Beitrag „Heute habe ich Mist gebaut„.

Ich habe diese Zeit ganz gut gemeistert. Meine Menschen waren ja auch wirklich lieb und geduldig (meistens zumindest) mit mir. Als diese Phase endlich vorbei war, etwa 4 Wochen später, hat sich alles beruhigt. Ich hatte meinen Platz gefunden und diesen akzeptiert. Ich fühlte mich rundherum wohl. Alles lief gut. Bis zur nächsten, der zweiten Welle.

Die kam, als ich ein gutes Jahr als war. Damals war ich das erste Mal in meinem Leben ziemlich verliebt, ja sogar liebeskrank. Wir haben doch so viele Hündinnen in der Nachbarschaft. Die haben plötzlich und fast alle zur gleichen Zeit unglaublich gut gerochen. Erinnerst du dich? Auch das ist eine eigene Geschichte. Die kannst du hier lesen: „Ich bin verliebt„. Auch das habe ich gut überstanden.

Übrigens, ich bin jetzt wirklich groß. Ich bin jetzt schon 16 Monate alt und fast erwachsen. Ich bin ein großer, starker Rüde. Das finde ich ganz toll. Und das zeige ich auch allen, vorzugsweise anderen Rüden.

Aber jetzt? Gerade passiert wieder irgendetwas Komisches mit mir. Ich verstehe es selber nicht. Soll jetzt alles wieder von vorne losgehen, nur halt noch schlimmer? Ich merke selber, dass ich gerade alles in Frage stelle. Und was meine Menschen von mir wollen nehme ich sehr gerne als „netten Vorschlag“ an. Mehr aber auch nicht. Ich kann schließlich selber entscheiden, was ich will und was mir Spaß macht. Da brauche ich niemanden, der mir sagt wo es „lang geht“. So. Das muss mal gesagt sein.

Aber ich bin ja nicht per se nur stur weil ich stur sein will. Na ja, ich gebe es zu. Es gibt Situationen, da weiß ich einfach nicht mehr, was meine Menschen gerade von mir erwarten oder was ich machen soll. Zum Beispiel bei der Dummyarbeit. Eigentlich kann ich das ja schon ganz gut. Aber neulich war ich ganz verwirrt. Glücklich bin ich dann nicht. Das kannst Du mir glauben.

Ein Beispiel: Vor ein paar Tagen merkte ich, dass da mal wieder irgendetwas mit mir passiert. Es war bei der Dummyarbeit am Nachmittag. Eigentlich klappt das gerade ganz super. Petra und mir macht es riesigen Spaß. Ich habe auch schon eine ganz Menge toller Kommandos und Aufgaben gelernt. Petra kann mich links, rechts und geradeaus einweisen. Ich kann Markierungen in kürzeren Distanzen laufen. Auch das Kommando „Back“ kenne ich. Und im Wasser bin ich eh der Held.

Was ist also passiert? Petra macht mit mir wieder unsere tollen Dummyübungen. Es macht mir ganz viel Spaß und ich bin mit viel Energie dabei. Zum Abschluss weist Petra mich am Waldrand „rechts“ ein. Plötzlich sehe ich Veit. Er war vorher nicht da. Er steht an der Seite und schaut zu. Und da habe ich ein Blackout! Ich weiß gar nicht mehr, was Petra von mir will. Ich sitze nur da und schaue sie an. Petra hat mir dann geholfen. Gemeinsam haben wir es irgendwie hinbekommen. Ich war komplett verwirrt, hatte einfach alles vergessen. Nicht böse, nein, echt vergessen.

Zum Glück verstehe ich es langsam. Meine Menschen Petra und Veit unterhalten sich ja ziemlich viel (das ist wohl normal bei den Menschen – zumindest, wenn sie sich mögen und gut verstehen). Sie sprechen über mein komisches Verhalten und was mich so antreibt. Und Petra liest ganz viel. Sie hat wirklich viele Bücher über Hunde und Hundeerziehung. Das ist schon spannend. Und was ich ganz toll finde: sie hat diese Bücher nicht nur im Regal stehen, nein, sie liest sie sogar! Meistens gleich mehrere gleichzeitig. Veit lästert immer über sie. Er sagt immer, sie könne damit eine Bibliothek aufmachen. Hier findest du Petras Buchtipps. Außerdem geht sie ja auch regelmäßig mit mir zum Hundetraining und tauscht sich mit den anderen aus.

Die beiden reden also über mich und mein komisches Verhalten. …. Warum bin ich also gerade so? Warum vergesse ich so viel? Ich mache das ja nicht absichtlich, es passiert einfach. Meistens (oder oft) zumindest.

Und dann gibt es noch die andere Situation: ich verliere mich einfach. Was das heißt? Wenn es gut riecht, vergesse ich alles um mich herum. Ich rieche und fühle nur noch meine Umgebung. Wenn meine Menschen mich rufen, höre ich das einfach nicht. Ich bin komplett in meiner Hunde-Schnüffelwelt versunken und bekomme einfach nichts mit.

Na klar, ich gebe es zu. Irgendwann merke ich dann schon, dass ich gerufen werde. Aber dann kommt der (böse) Moment! Ich WILL es nicht hören. Ich tue einfach so, als ob ich nicht da bin. Ich will noch in meiner Hundewelt bleiben. Also schalte ich auf Durchzug. Aber das kommt bei meinen Menschen überhaupt nicht gut an.

Neulich aber ist etwas passiert, da hatte ich mal richtig Respekt vor Petra. Denn da ging es nicht ums Vergessen, nein ich war einfach nur stur und wollte nicht. Petra hatte mich ganz schnell durchschaut. Und meine Sturheit hat sich gerächt. Was war also los?

Es ist Nachmittag. Zeit für unseren Spaziergang, verbunden mit Dummyarbeit. Petra zieht ihre Dummyweste an und wir laufen los. Den langen Weg und dann in die Richtung, die ich schon gut kenne. Zu „unserem“ Waldstückchen mit der tollen Wiese davor. Um dort hinzukommen, laufen wir etwa zwei Kilometer. Wir sind schon fast da. Und wie immer an der gleichen Stelle riecht es überall so gut. Ich entferne mich ein bisschen sehr weit von Petra weg und schnüffele im Gras am Straßenrand herum. Plötzlich ruft Petra mich mit ihrem „Komm-Pfiff“. Diesmal höre ich den Pfiff genau. Ich überlege kurz, ob ich hören soll, entscheide mich aber schnell dagegen. Ich schnüffele weiter. Natürlich merke ich, dass Petra zu mir kommt. Sie geht zwar normal schnell, dennoch spüre ich bei ihr aber eine leichte Anspannung. Darum ducke ich mich auch ein klein wenig, um mich Petra (aber auch nur ansatzweise) zu unterwerfen.

Ich weiß genau: jetzt bekomme ich Ärger. Jetzt schimpft sie mit mir. Aber nein. Was macht sie stattdessen? Sie legt mir die Leine um und geht nach Hause. Ohne ein einziges Wort! Einfach so! Ich bin ziemlich beeindruckt und latsche ganz brav und eng „bei Fuß“ neben ihr her. Bis wir zu Hause ankommen. Ja, ich muss gestehen: ich war schon wirklich traurig und bedröppelt. Ich hatte mich doch so sehr auf die Dummyarbeit gefreut. Und nun ging es einfach wieder heim. Das hat es noch nie gegeben!

Das war mir eine Lehre. Außerdem rufen meine Menschen mich jetzt wieder viel öfter zurück, auch wenn wir ganz normal Spazieren gehen. Und wenn ich sofort, ohne zu zögern und ganz schnell zu Petra oder Veit renne, bekomme ich ein Leckerchen oder ein tolles Spiel mit ihnen.

Also – es lohnt sich wahrscheinlich doch, auf meine Menschen zu hören.

Auch wenn sie oft ganz schön nerven, aber vielleicht verstehen meine Menschen mich doch besser, als ich glauben möchte.

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